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Interview "Wir sind STIMULATE " mit Nicola D´Ascenzo
Interviewter: Prof. Nicola D´Ascenzo
Stelle: Professor an der University of Science and Technology of China (USTC), Hefei, China
Interviewerin: Paula Sachs
Datum: 09.08.2022
Hallo, Nicola! Ich begrüße dich herzlich zu unserem heutigen Interview!
Zuerst würden wir gerne mehr über deine Person erfahren. Du hast Physik in Pisa studiert und bist dann nach Hamburg gekommen, um deinen PhD zu machen, wie kam es dazu?
Antwort: Am Anfang habe ich angewandte Physik für Medizin studiert. Als Physiker hatte ich dann das Gefühl, dass mir etwas fehlt, vor allem der Hintergrund zur Hochenergiephysik, der dringend benötigt wird, wenn man neue Instrumente in der medizinischen Physik entwickeln will. Ich kam also nach Deutschland, weil sich mir in Hamburg die Möglichkeit bot meine Promotion in Teilchenphysik zu vertiefen. Wenn man sich die Geschichte der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) vor Augen führt, dann sieht man, dass diese aus der Teilchenphysik hervorgegangen ist. Um diese Geschichte wirklich verfolgen zu können, brauchte ich also diesen Hintergrund.
Nach deiner Zeit in Hamburg warst du Professor für Biomedical Engineering in China. Weshalb bist du nach China gegangen und hast von der Physik zur Biomechanik gewechselt?
Antwort: Es war nie wirklich ein Wechsel. Während ich meinen PhD gemacht habe, habe ich eine Kalorimetrietechnik entwickelt, die sich Silizium-Fotomultiplier nennt. Parallel dazu habe ich immer die Weiterentwicklung dieser Technologien, also der Kalorimetrie und der Positronen-Emissions-Tomographie, verfolgt. Nach meiner Promotion blieb ich in der Hochenergiephysik. Dann hatte ich das Gefühl, dass es genau der richtige Zeitpunkt sei, all diese Technologien, Mathematik, Rekonstruktionsalgorithmen und statistische Analysen in der Medizin anzuwenden. Und das war der Moment, als China ins Spiel kam, etwa 2014. Ich habe 2009 meinen Doktor gemacht und bekam nach etwa vier Jahren die Möglichkeit, Professor in China an der School of Life Science zu werden. Die Huazhong University of Science and Technology ist eine sehr interdisziplinäre Hochschule. Obwohl ich in der Abteilung für Biomedizinische Technik arbeite, bin ich Physiker und arbeite eng mit Kolleg:innen aus der Biologie, der Medizin, dem Ingenieurswesen usw. zusammen.
Ich blieb also Physikprofessor in einer medizintechnischen Abteilung, was der ideale Ort ist, wenn man die Positronen-Emissions-Tomographie der Zukunft bauen will
Aktuell bist du Professor an der University of Science and Technology of China und leitest die Abteilung für Medizinische Physik und Ingenieurwesen am Neuromed in Italien. Wie kann man sich deinen Arbeitsalltag und deine Aufgaben vorstellen?
Antwort: Es gibt drei Hauptsäulen: den Lehrbereich, den Forschungsbereich und den Innovationsbereich. Meine tägliche Arbeit wechselt ständig zwischen diesen drei Säulen. Die Lehre macht mir Spaß, vor allem die Arbeit mit den vielen Studierenden. Tatsächlich wurde diese Abteilung in einem Forschungskrankenhaus geschaffen, um vor allem Nachwuchswissenschaftler:innen zu exzellenten Wissenschaftler:innen auszubilden.
Normalerweise beginne ich meinen Tag um 8 Uhr mit dem ersten Online-Meeting mit den Studierenden aus Italien, China und aus Magdeburg. Dann kommt der ganze Management-Teil, normalerweise zwischen 9 und 11 Uhr, wo ich einige bürokratische Dinge erledigen muss. Und dann kommen wieder die täglichen Meetings bei denen wir neue Projektfinanzierungsanträge vorbereiten. Das Ganze mischt sich dann mit dem Forschungsteil, bei dem ich vor allem für die Entwicklung der Sensoren zuständig bin.
Meine Hauptaufgabe ist jedoch die Entwicklung von Bildgebungsverfahren für Pflanzen. Das bedeutet, ich bin bis ungefähr 16 Uhr in meinem Labor und mache Experimente. Um 16 Uhr folgt ein Meeting, das dem 8-Uhr-Meeting sehr ähnelt. Man kann es auch Gute-Nacht-Meeting nennen, da es für die chinesischen Studierenden schon 22 Uhr ist und für die europäischen Studierenden ein Nachmittagstreffen. Hier gehen wir wieder die verschiedenen Probleme durch. Danach geht der Tag weiter. Wenn ich Paper schreibe, lese ich viel und das normalerweise bis zum späten Abend gegen 22 Uhr.
Die letzte Zeit meines Tages kommuniziere ich mit Wissenschaftler:innen aus der ganzen Welt, um Fragen zu klären. Gegen 23 Uhr bin ich wieder zu Hause, küsse meine Kinder, die schon schlafen, und natürlich auch meine Frau.
Was ist deine persönliche Motivation an dem Thema Positronenemissionstomographie (PET)?
Antwort: Als ich 15 oder 16 war und zum Gymnasium ging, hatte ich einen besten Freund namens Ivan. Er hatte Autismus und sprach deswegen nicht. Er saß 5 Jahre neben mir und aufgrund seines Autismus war es nicht mehr möglich, ihn woanders hinzusetzen. Ich erinnere mich an den einen Tag, an dem ich nicht gelernt hatte und der Lehrer uns abfragen wollte. Er wählte mich aus und ich bekam Angst. Ich wusste die Antwort auf seine Frage nicht und schaute Ivan instinktiv an. Wir sahen uns in die Augen und dann stand Ivan auf und begann zu schreien. Er wolle nach draußen gehen und nur ich solle ihn begleiten. Unser Lehrer versuchte jemanden anderen mit hinaus zu schicken, aber Ivan blieb dabei und begann nur mehr zu schreien. Er veranstaltete eine großartige Show und rettete mich so. An dem Tag verstand ich, dass wir mit den Augen kommunizieren können, was wir heute auch noch tun. Ich verstand, dass sein Gehirn anders arbeitet. Deswegen handelt eines meiner ersten Paper vom Brain-PET, bei dem ich das Modell Ivan 00 nannte. Ich entwickelte einen PET-Helm und andere Technologien und behielt immer Ivan im Hinterkopf.
Du warst im Laufe deines Lebens aufgrund deines Karrierewegs in unterschiedlichen Ländern, wie China oder Deutschland. Wie sehen deine Zukunftspläne aus?
Antwort: Es ist wahr, ich reise viel, aber immer mit dem Ziel, einen Schritt weiter in der Wissenschaft zu kommen. Und wenn das bedeutet, dass ich umziehen muss oder in ein anderes Land auswandern muss, dann nehme ich das in Kauf. Ich bin sehr offen und wenn ich in Zukunft weiterkommen will und das bedeutet, dass ich das Land wechseln muss, dann tue ich das. Meine Frau arbeitet auch in der Forschung und versteht das. Die jungen Leute sollen wissen, dass man davor keine Angst zu haben braucht. Meine Tochter zum Beispiel spricht 3 Sprachen und meine Kinder sind weltoffen, nicht schüchtern und sehr direkt.
Wenn du noch einmal Student sein könntest, würdest du etwas anders machen und den Studierenden heute mit auf den Weg geben?
Antwort: Das ist eine interessante Frage. Ich habe erst kürzlich darüber nachgedacht, als ich neulich meine alten Studienbücher wieder gefunden habe. Als ich sie gelesen habe, habe ich mich wieder neu in das verliebt, was ich mir ausgesucht hatte. Und nein, ich würde nichts anders machen. Ich bin absolut glücklich.
Vielen Dank für deine Zeit!
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